Lilly

Meine liebe Lilly,

 

„von hinten durch die Brust ins Auge“ oder „manchmal verläuft der Weg ins Glück in Schlangenlinien“. So war es bei dir. Aber von vorn:

Mit deinem Bruder Charlie lebtest du bei einer bekannten sardischen Tierschützerin, und als diese krank wurde, sind Charlie und du auf das Saving-dogs-Gelände gezogen. Dort hast du die Liebe und Fürsorge der mittlerweile mindestens ebenso legendären Claudia erfahren. Daß du keine schlechten Erfahrungen gemacht hast, angstfrei, verschmust und total menschenbezogen bist, durfte ich später persönlich feststellen. Aber weiter. Zum Glück war Karin einverstanden, als ich vergangenen Herbst fragte, ob du mein nächster Pflegehund sein könntest. Aber dann verzögerte sich deine Abreise, beim ersten Mal hast du dem schwer verletzten Phönix deinen Platz im Transporter überlassen, beim zweiten Mal wurde der Platz knapp, weil ein kleinerer Transporter fuhr, also wieder nix, aber aller guten Dinge sind drei. Vor rund vier Wochen bist du dann endlich doch gereist.

 

Gleich nach deiner Ankunft wurde deutlich, daß ich mal wieder (!) einen Volltreffer gelandet hatte. Du warst tiefenentspannt, freundlich mit allem und jedem, sofort stubenrein, du bist gleich am ersten Morgen mit mir und deinen drei vierbeinigen Gastgebern spazieren gegangen, ein „einfacher“ Hund im allerbesten Sinne. Bildschön sowieso. Erstaunlicherweise hast du ein einziges Mal deine Stimme erhoben, du kannst also bellen, aber du willst offenbar nicht. Den Nachbarn soll es recht sein.

 

Gleich zu Beginn mußten wir uns um deine Öhrchen kümmern, die Untersuchung/Behandlung in tiefer Vollnarkose hast du super weggesteckt, und auch meine weitere Versorgung mit verschiedenen Ohrtropfen hast du mit zunehmender Toleranz ertragen. Und nur gut zwei Wochen nach deiner Ankunft kam DIE Anfrage für dich. Karin sagte mir, sie habe ein sehr nettes Gespräch mit Interessenten aus Gelsenkirchen gehabt. Diese hätten sich erst für eine andere Hündin interessiert, dann aber, weil das nicht so paßte, ein Auge auf Lilly geworfen (die ihnen ohne diesen freundlichen Anstups nicht aufgefallen wäre). Der Vorbesuch durch zwei erfahrene Vereinsmitglieder verlief zur allseitigen Zufriedenheit (O-Ton Marion: „Da muß wieder ein Hund hin“). Schon am nächsten Tag bekamst du Besuch, und wie kann es anders sein, du zeigtest sich von deiner besten Seite und gewannst die Herzen der Eheleute G. Und ich eine reparierte Deckenlampe, Herrchen ist nämlich einer der Sorte Männer, die alles können. Wiederum ein paar Tage später fuhren wir dann in Begleitung von Lotti nach Gelsenkirchen. Da ist es so schön! Du wohnst jetzt in einem wunderschönen Haus mit Garten inmitten hoher Bäume an einer Spielstraße, hinter dem Garten beginnen Wälder, Wiesen, Wege, Pfade und ein Golfplatz, besser geht nicht.

 

Deine Familie ist mit mir der Meinung, es gibt keine Zufälle. Es mußte so sein. Wärest du auf einem der ersten beiden Transporte dabei gewesen, so wärest du garantiert früher anderweitig vermittelt worden. Und hätten deine Menschen sich nicht für die andere Hündin interessiert, die den Filter „Umkreis 50 km“ erfüllte, so wären sie nicht auf dich hingewiesen worden, denn von Kerpen nach Gelsenkirchen ist es deutlich weiter. Apropos Umkreis, deine Menschen haben mir den Herzenswunsch erfüllt, für die Nachuntersuchung der Öhrchen wieder nach Kerpen zu kommen, und das mit Erfolg. Frau Dr. H. war sehr zufrieden mit dem Befund („Keine Bakterien mehr erkennbar“), den ich auf unsere penible Ohrtropferei schiebe, die du so tapfer ertragen hast.

 

Die wunderschöne zauberhafte Lilly bleibt Lilly und wohnt, wie erwähnt, jetzt in Gelsenkirchen. Und wer mit Lilly geliebäugelt hatte, zu spät! Aber: Meines Wissens sucht ihr Bruder Charlie noch ein Zuhause, und dem Video nach zu urteilen ist er genau so ein Traumtyp wie seine Schwester. Nicht so wuschelig, aber der seelenvolle Blick und die schönen Augen sind die gleichen.