WIE TAMMY ÜBER NACHT ZU NURIA WURDE

Tammy kam zur Sommersonnenwende mitten in der Nacht mit dem Hundetransport aus Sardinien in Hilden an, wo wir sie in Empfang nehmen durften. Vollkommen erschöpft von der langen Fahrt knurrte sie, endlich in ihrem neuen Zuhause angekommen, mit lautem Grollen unsere kleine, ungarische Mixhündin ‚Blümchen‘ an und verschanzte sich in unserer Gästetoilette.

Futter, Wasser und wir wurden rigoros abgelehnt.

Wir waren von ihrer Abwehr gegenüber unserer Hündin sehr erschrocken und machten uns Sorgen um die Sicherheit von Blümchen, weshalb wir uns zunächst auch erst einmal als Pflegestelle für Tammy zur Verfügung gestellt hatten.

 

Hatten wir womöglich Tammys Wesen falsch erfasst?

Oder war sie einfach nur vollkommen ‚durch‘?

Ihr Augenausdruck in dieser Nacht ließ beide Optionen vermuten.

 

Am nächsten Morgen wurden wir zu unserer großen Überraschung Zeugen eines ‚Phönix aus der Asche - Wunders’, denn es erwachte DER Hund aus seinem kurzen Erholungsschlaf, dessen wahres Wesen wir auf die Ferne gefühlt hatten. Tammy taute den Tag über immer weiter auf - so sehr, dass wir kaum glauben konnten, welch zauberhafte Seele sich vor unseren Augen entfaltete. Die junge Herdenschutzhündin suchte zunächst intensiv den Kontakt zu meiner Tochter, denn Jana hatte die Nacht im Wohnzimmer verbracht, damit sie für die Hündin da sein konnte, sollte sie Support brauchen.

 

Endlich nahm Tammy auch mit großem Appetit Futter an und inspizierte unseren Garten. Blümchen und sie beäugten sich noch mit großem Respekt, aber auch dies ließ mehr und mehr nach, als beide feststellten, dass keine Gefahr von der anderen ausging. Ich konnte im Laufe des Tages an Sympathie aufholen, als ich mich auf den Boden setzte, Tammy mich anschaute, langsam auf mich zuging und ihre Stirn an meinen Bauch drückte. Das Eis war gebrochen. Den Tag verbrachten wir mit viel Ruhe und Entspannung, während wir ganz natürlich mehr und mehr zusammenwuchsen. Tammy suchte ständig unsere Nähe, genoss sichtlich die Streicheleinheiten und begann, sich mit Neugierde für Blümchen zu interessieren.

 

Am Abend entschieden wir, unseren Neuzugang zu baden, denn Tammy hatte auf dem langen Transport unter sich gemacht und müffelte. Das Prozedere fand sie weniger toll, ließ es sich aber dennoch gefallen. Das hätten wir uns wenige Stunden zuvor nicht einmal vorstellen können.

Nach dem Bad strahlte sie sogar im Dunkeln, denn ein schneeweißer Hund kam unter dem Staub des großen Gartens, in dem sie sich auf Sardinien bei ihren tollen Pflegeeltern und zusammen mit ihrer Schwester Tammina wälzen durfte, zum Vorschein.

 

Am Ende des Tages war es so, als wäre schon nach weniger als 24 Stunden aller Stress von ihr abgefallen, denn nach dem Bad tobte Tammy wie neugeboren und völlig losgelöst mit Blümchen durch unseren Garten. Auch bei den beiden Hündinnen hatte sich die anfängliche Skepsis in Sympathie verwandelt.

 

Tammys Wesen hatte unsere Herzen schon über die Bilder von ‚Saving-dogs‘ tief berührt und unser Gefühl zu ihr, das wir bereits im Vorfeld hatten, wurde in diesen wenigen Stunden mehr als bestätigt. Wir hatten uns also doch nicht geirrt. Sie brauchte nur etwas Zeit und etwas Ruhe, was mehr als verständlich ist, denn, wenn man sich für einen Moment in ihre Lage versetzt, dann gleicht die Adoption eines Hundes einer Entführung. Ein Hund kann nicht wissen, dass all das, was er währenddessen erlebt, der Weg in eine neue und schönere Zukunft bedeutet. Er wird nach seinem Erleben aus seinem bisherigen Umfeld von häufig ihm fremden Menschen ‚verschleppt‘, gleichzeitig von ihm bekannten Hunden und Menschen getrennt und über viele Stunden in einer engen Blechdose durchgeschüttelt, während ihm unbekannte Hunde notgedrungen seine Individualdistanz unterschreiten. Dass dies die Stresshormone bis ans Limit schießen lässt, ist leicht nachvollziehbar.

 

So fiel die Entscheidung, dass Tammy für immer bleiben würde, an diesem ersten Tag ganz von selbst, denn ein Leben ohne sie ist für uns keine Option.

 

Wir tauften sie um auf den Namen ‚Nuria‘, der ‚die Lichttragende‘ bedeutet, denn sie kam zur Sommersonnenwende und bringt mit ihrem zauberhaften Wesen das Licht in unsere Leben und in die Leben aller, die ihr begegnen werden.

 

Nun wünschen wir uns für ihre Schwester Tammina, dass auch sie zeitnah von ihren Menschen gefunden wird und ebenso geliebt wird, wie Nuria.

 

Wir danken von ganzem Herzen dem hochprofessionellen Einsatz von Karin Loebnitz und dem gesamten Team von ‚saving-dogs‘, sowie dem netten Fahrer des Transports und seiner Begleitung, von denen die Hunde auf der langen Fahrt liebevoll betreut wurden. Euer Wirken ist großartig und rettet die Leben von unzähligen Hunden, die Ihr mit großer Sorgfalt in gute Hände vermittelt. Guter Tierschutz ist physisch wie psychisch hochgradig herausfordernd, daher wünsche ich Euch von ganzem Herzen, dass Euch viele, viele Menschen begegnen, die Euer unermüdliches Wirken unterstützen, damit die vielen Notfelle aus Sardinien in Deutschland alle die Chance auf ein neues Zuhause bekommen.

 

Wir freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen, vielleicht ja sogar mit Tammina!

Alles Liebe senden

Birgit, Jana, Blümchen & Nuria